Lesetipp - Rezension zu Gail Honeymans "Ich, Eleanor Oliphant"
Titel: Ich, Eleanor Oliphant
Autor: Gail Honeyman
Verlag: Bastei Lübbe
Seiten: 528
ISBN: 978-3431039788
Preis: 20,00€ (Print) / 15,99€ (Ebook)/
9,95€ (Hörbuch-Download)/ 15,99€ (Hörbuch-CDs)
Erschienen: 04/2017
Genre: Contemporary (ab 16)
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Eleanor Oliphant ist anders als andere Menschen. Eine Pizza bestellen,
mit Freunden einen schönen Tag verbringen, einfach so in den Pub gehen? Für
Eleanor undenkbar! Und das macht ihr Leben auf Dauer unerträglich einsam. Erst
als sie sich verliebt, wagt sie sich zaghaft aus ihrem Schneckenhaus - und
lernt dabei nicht nur die Welt, sondern auch sich selbst noch einmal neu
kennen.
Dieses Buch in Worte zu fassen, fällt mir nicht leicht, denn es ist so
vielseitig und eindrücklich, dass ich eine Weile darüber nachdenken musste.
Das Cover ist schlicht und im übertragenden Sinne spiegelt es auch
wunderbar die Geschichte wider. Eine dunkle Figur, die oben auf dem Farbklecks
steht, der von dunkel/schwarz immer heller und bunter wird. Mich hat dieses
Titelbild direkt angesprochen und ich war neugierig, was sich dahinter
verbirgt.
Wo fange ich an, wo höre ich auf und was spoilert zu sehr… Hauptfigur
Eleanor ist anders, lebt sehr zurückgezogen in einem einsamen und klar
strukturierten Alltag. Sie arbeitet, trotz ihres großen intellektuellen
Potenzials, in einer Grafikdesign-Agentur als Debitorenbuchhalterin, kocht
jeden Abend das gleiche (Pasta mit Pesto), telefoniert jeden Mittwoch mit ihrer
Mummy und die Einsamkeit mit sich selbst und dem Wochenende betäubt sie mit
Alkohol. Eleanor lebt ihre eigene Routine und steht irgendwie immer abseits,
sie hat kaum Sozialkompetenzen, was es einem schwer macht, sie in manchen
Situationen zu mögen. Generell ist ihre Person so facettenreich, dass sie sehr
viele Emotionen beim Lesen weckt. Mal mag man sie, dann möchte man sie
schütteln, im nächsten Moment regt sie einen auf und ab und an fragt man sich,
Gott, was ist da schiefgelaufen… Gründe für ihr Verhalten werden nach und nach
aufgedeckt. Sie hat sehr viel mitgemacht, weshalb sie zu der Person wurde, die
sie ist. Es war spannend zu sehen, wie sie sich während der Erzählung
entwickelt hat, wobei mir ihre soziopathische Ader manchmal auch zu denken gab.
Ihr Kollege Raymond ist der gute Samariter, der Eleanor nimmt, wie sie ist, und
ihr immer wieder die Möglichkeit gibt, in die „normale“ Welt zu schnuppern. Er
zeigt ihr, wie es sein kann und ist ein großer Katalysator ihrer Entwicklung.
Die Handlung hat mir sehr gut gefallen und ich wollte das Buch nicht aus der
Hand legen, da ich neugierig war, welches Fettnäpfchen sie als nächstes nimmt
und wie es weiter geht. Ich hab mir während dem Lesen immer wieder Theorien
zurecht gelegt, wie was zusammenpasst (einige trafen tatsächlich ins Schwarze).
Der Schreibstil der Autorin Gail Honeyman, die mit diesem Roman ihr Debüt
gegeben hat, ist toll. Sie schreibt anspruchsvoll (mir persönlich hat diese
Wortfertigkeit extrem viel Spaß gemacht), ohne aber anstrengend oder zäh zu
werden. Dennoch war ich froh, dass ich das Ebook gelesen habe, denn die
eingebaute Wörterbuchfunktion hat mir das ein oder andere Mal bei verwendeten
Fremdwörtern geholfen. Eleanors Mutter legte immer sehr großen Wert auf Bildung
und Etikette, was sich im gesamten Erzählstil widerspiegelt.
Einen Kritikpunkt muss ich leider anbringen, der mich zum Ende hin
leider wirklich ein wenig beschäftigt hat. Ich kenne mich mit Psychologie und
deren Krankheitsbildern nur am Rande aus und weiß nicht, ob die Auflösung
wirklich realistisch war. Für mich hätte die Autorin gerne ein wenig mehr Raum
dafür geben und vielleicht an anderer Stelle kürzen können. Der Weg war sehr
ausführlich und bildreich beschrieben, wohingegen das Ziel, also die Lösung,
sehr minimalistisch behandelt wurde. Ich weiß nicht, ob das beabsichtigt war,
denn bekanntlich ist ja der Weg das Ziel, aber ich war doch irritiert. Ich
weiß, Eleanor ist intelligent und sieht viele Dinge, wenn die darauf
hingewiesen wird, selbst. Sie erkennt sehr viel, nachdem, wie bei einem
Domino-Spiel, die Ereigniskette mal angestoßen ist.
Ein Buch, das mir unter die Haut ging, denn es hat mich mit sehr vielen
Fragen konfrontiert, mit denen ich im „normalen“ Leben eher selten in Berührung
komme. Eine junge Frau, vom Schicksal und der Vergangenheit so geprägt, dass
sie mehr existiert, statt lebt. Ich hatte sehr viel Spaß, Eleanor dabei zu
beobachten und mitzuerleben, wie sie sich durch Höhen und Tiefen, positive
Begegnungen und manchem Rückschlag neu erfindet und ihren Weg geht. Ein
beeindruckender Roman, der mich zum Nachdenken angeregt hat. Klare
Leseempfehlung.
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