Lesetipp - Rezension zu Anna Baseners "Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte"
Autor: Anna Basener
Verlag: Eichborn Verlag
Seiten: 320
ISBN: 978-3847906254
Preis: 16,90€ (Print) / 12,99€ (Ebook)
Erschienen: 03/2017
Genre: Humor (ab 16)
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Die Omma ist eine Ruhrpottikone. Sie war mal Wirtschafterin im Puff,
bis sie den brutalen Zuhälter nicht mehr ertragen und ihn kurzerhand mit einer
Flasche Korn erschlagen hat. Als die Mitzi, ehemalige Prostituierte und enge
Vertraute der Omma, plötzlich stirbt, bricht die Omma alle Zelte in Essen ab
und zieht zu ihrer Enkelin Bianca. Nach Berlin-Kreuzberg. Bianca wundert sich
sehr, dass die vitale Mitzi plötzlich tot sein soll und die Omma ihr geliebtes
Essen verlässt. Bianca stellt immer mehr Fragen - bis sie eine Antwort erhält,
die sie nicht hören wollte ...
Dieses Buch zu beschreiben, ist wahrlich eine Herausforderung und ich
habe mir lange Gedanken dazu gemacht, denn hinter dem Zigarettenschachtel-Cover
und dem provokanten Titel verbirgt sich eine krasse Geschichte, die mich mehr
als einmal verstört hat.
Aber eins nach dem anderen.
Die Sprache ist witzig und ungewöhnlich, denn auch wenn man sich recht
schnell an den ausgefallenen und teils diffusen Satzbau des Pott-Dialekts in
den Dialogen gewöhnt hat, so gab es dennoch das ein oder andere Wort, dass ich
einfach nicht zuordnen konnte (was ist ein Schabau????).
"Wenn die Damen nicht weiterwussten, haben sie die Omma gefragt. Denn dem Herbert ist manchmal die Hand ausgerutscht, und da brauchte es einfach jemanden, der zurückschlägt. Da flogen dann die Ohrfeigen hin und her, dank der Omma war das keine Einbahnstraße." S. 10/ Position 87
Die Charaktere, puhhh,
wo fang ich an, wo hör ich auf… Ich glaube, das sind alles Unikate, die mich
zum einen erschrecken und zum anderen grenzenlos unterhalten. Die Autorin hat
extrem tief in der Klischee-Kiste gewühlt und die Figuren teilweise so
überspitzt beschrieben, dass sie in ihrer Art extrem und sehr skurril wirken,
wobei man ihnen definitiv einen gewissen Charme zugestehen muss. Persönlich bin
ich mit keiner der Figuren richtig warm geworden, denn zum einen ist mir die
Welt, in der sie leben (gelebt haben) sehr fremd und zum anderen konnte ich
einige ihrer Entscheidungen nicht wirklich verstehen… (Ja, meiner Meinung nach,
hat sich Bianca für den Falschen entschieden!)
Das Buch spricht gesellschaftliche Tabuthemen an und zeigt deutlich
(teilweise auch ziemlich schonungslos und brutal), dass es einen kleinen aber
feinen Unterschied zwischen Sexarbeiterinnen und Zwangsprostitution gibt, der
leider sehr oft nicht gesehen wird oder werden will.
Der Roman hat mich gefordert, denn ich wusste manchmal nicht, wohin
bringt mich diese Geschichte. Was will die Autorin bezwecken? Gibt es einen
roten Faden, den die Erzählung verfolgt, oder ist es nur eine Aneinanderreihung
von Effekthascherei. Zum Ende hin hat sich dann aber alles aufgelöst und
geregelt, doch dazwischen empfand ich es zum Großteil als ein heilloses
Durcheinander (wenn auch ein recht witziges).
Dieses Buch ist wie ein Autounfall, man will nicht gaffen, kommt aber
irgendwie doch nicht dran vorbei. Ich konnte es einfach nicht weglegen, auch
wenn es mich teilweise aufgeregt und genervt hat, bevor es mich im nächsten
Moment zum Lachen brachte.
Dieses Buch hat an den Festen meiner heilen Welt gerüttelt, mir meine
(teilweise) vorhandene Doppelmoral vor Augen geführt, mich unterhalten und
dennoch manchmal extrem strapaziert. Ab und an dachte ich: „What the f….?“ und
dennoch konnte ich es nicht weglegen und wollte wissen, wie es weitergeht.
Nichts für prüde Gemüter und zartbesaitete Leser, und dennoch ist es ein
wahnsinnig interessantes Leseexperiment gewesen, das ich allerdings erst ab 16
empfehlen würde.
"Der Ernst des Lebens ist ein Komiker und ein Arschloch." Position 124
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