"Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit" – fantastischer Zeitreiseroman von Natasha Pulley
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© Klett Cotta |
1898 erwacht Joe Tournier ohne jegliche Erinnerungen am Bahnhof Gare du Roi in Londres. Die Welt steht Kopf: England ist französisch, und Joe wird in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Nur wenig später, als er wieder in Freiheit ist, trifft eine rätselhafte Postkarte bei ihm ein, die 90 Jahre zu ihm unterwegs war.
Auf der Postkarte ist ein Leuchtturm auf einer Insel in den Äußeren
Hebriden mit dem Namen Eilean Mor abgebildet, auf der Rückseite steht ein
kurzer Text: "Liebster Joe, komm nach Hause, wenn du dich erinnerst.
M." Was hat es mit dem Leuchtturm
auf sich und wie kann ein Mann mittleren Alters aus einer 90jährigen
Vergangenheit heraus vermisst werden? Und wer ist M.? Joe macht sich
schließlich auf die nicht ungefährliche Reise nach Schottland, um den
Leuchtturm zu suchen und findet stattdessen einen Weg in die Vergangenheit.
Unversehens gerät er in die Turbulenzen der großen Schlachten zwischen England
und Frankreich, die lange vor seiner Geburt entschieden wurden. Schnell wird
klar, dass jeder Schritt in die Vergangenheit auch seine Zukunft beeinflusst.
Mein
Eindruck:
Natasha
Pulley überzeugt mit sprachlicher Raffinesse und komplexen Strukturen. Schon in
ihrem Debüt hat sie gezeigt, dass ihre Bücher zwar durchaus unterhaltsam, aber
zudem auch anspruchsvoll und vielschichtig sind. Geschichtliche Details werden
in eine fiktionale Story verwoben und ziehen einen mit viel Spannung und Gefühl
in ihren Bann. Doch nicht nur die Handlung, die mit geschickten Plottwists
immer wieder für Überraschungen sorgt, überzeugt. Ein besonderes Augenmerk muss
man auf die Charaktere legen. Sie alle sind multidimensional, bestechen durch
Stärken und Schwächen. Wir erleben keine klassischen Helden, viel mehr
Menschen, die wir auf ihrem Weg begleiten dürfen, mit denen wir rätseln,
leiden, uns freuen. Eine ganze Bandbreite an Emotionen wird abgebildet;
gefühlvoll, intensiv, teils herzzerreißend. Jeder einzelne von ihnen hat eine
Geschichte, Schwarz und Weiß verschwimmen zu Grautönen, mit denen man sich mal
mehr mal weniger identifizieren kann. Manche Details wirken entrückt und man
fragt sich, kann das wirklich sein? Passt das tatsächlich in den historischen
Kontext, doch gerade im Bereich Fantasy sind da wohl keine Grenzen gesetzt.
Mich hat die
Story sehr gut unterhalten und ich habe tatsächlich bis zum Schluss nicht alle
Puzzleteile aus Joes Leben zusammengesetzt bekommen. Ich liebe Bücher, die mich
überraschen, mit neuen Ideen und Gedanken überzeugen. Wer fantastische
Geschichten mit historischem Hintergrund und Zeitreisen mag, wird hier voll auf
seine Kosten kommen.
Vielen Dank
für das Leseexemplar, das mir von Vorablesen zur Verfügung gestellt wurde.
Mehr
Details zum Buch:
Titel: Der
Leuchtturm an der Schwelle der Zeit
Autor: Natasha
Pulley
Verlag: Klett-Cotta
Hobbit Presse
Seiten: 544
Preis: 25,00€
(Print) / 19,99€ (Ebook)
Erschienen: 09/2022
Genre: Fantasy
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